Persönlich
keiten

Gertrud Arndt
1903 – 2000

Gertrud Arndt

Man sieht sie überall – meist junge Leute, einzeln oder in Gruppen, die ein Smartphone an ihrem ausgestreckten Arm oder an einer Stange halten und hineinlächeln. Die Rede ist – natürlich – von Selfies. Doch wer meint, dass diese Art der Selbstinszenierung eine moderne Erscheinung ist, der irrt. Denn erfunden wurde das Selfie bereits Anfang der 1930er Jahre von einer Bauhäuslerin. Nur nannte man es damals Selbstporträt.

Gertrud Arndt hatte am Bauhaus zunächst in Weimar, dann in Dessau eine Ausbildung als Weberin absolviert. Doch nach Erhalt ihres Gesellenbriefes beschäftigte sie sich nie wieder mit der Weberei. Sie hätte sie nicht gemochte, „diese ganzen Fäden“, bekannte sie später einmal. Und obwohl sie für die Weberei keine Leidenschaft entwickelt konnte, war sie erfolgreich und machte mit einem blau-gelb-karierten Wollteppich von sich reden: Ihr vielgezeigter „Teppich 2“ zierte das Arbeitszimmer des Bauhaus-Direktors Walter Gropius. Ihr Interesse galt fortan der Fotografie, die sie während ihres gesamten Studiums autodidaktisch weiter ausgebaut hatte.

Sie heiratete den Architekten und Bauhaus-Meister Alfred Arndt, zog mit ihm in eines der Meisterhäuser in Dessau – und langweilte sich. Um „die Zeit totzuschlagen“, wie sie später einmal bekannte, begann sie, eine Reihe von „Maskenporträts“ von sich selbst zu machen. Ihre alte Kamera, die sie noch aus Lehrzeiten besaß, hatte keinen Selbstauslöser. Und so bastelte sie sich eine Konstruktion aus einem Besenstil und ein paar Zentimeter Zwirn. 

„Was ist man? Vielleicht hat man immer eine Maske. Irgendwo hat man immer einen Ausdruck, den man haben will. Das könnte man doch Maske nennen, oder?“,
Gertrud Arndt

... antworte Gertrud Arndt einmal auf die Frage, ob sie sich mit den Fotos selbst inszenieren oder Klischees hätte bedienen wollen.

In den achtziger Jahren wurde Gertrud Arndt als Fotografin wiederentdeckt und mit Zeitgenossinnen wie Marta Astfalck-Vietz und Claude Cahun verglichen. Heute fehlen ihre „Maskenporträts“ in kaum einem Band zur Fotografie der Weimarer Republik. Sie gilt als Vorläuferin der großen Verkleidungskünstlerinnen Cindy Sherman und Sophie Calle, die sich ebenfalls stets selbst aufnehmen, und als Spezialistin für das fotografischen Selbstporträts, das man heute Selfie nennt.

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